Wie man Nutzern schnell auf den Sack geht

Werbung, sponsored Content, Cookie Consent. Wenn Nutzern alles entgegengeworfen wird, außer dem Content, den sie wollen.

In den Neunzigern war alles so einfach. Man gab die Telefonleitung frei, öffnete den Netscape Navigator und gab einen Suchbegriff à la „Wer ist die Mutter der Powerpuff Girls?“ auf Metager ein. Und wenn man Glück hatte, fanden Nutzer sogar ein paar relevante Ergebnisse in einem Internetforum für engagierte Powerpuff Girls-Enthusiasten. Es erforderte Eigeninitiative, aber Suchmaschinen waren, ganz ohne Search Engine Optimierung (SEO), verlässliche Wegweiser.

Ich will doch nur bloggen!

Es ist doch bemerkenswert, über wie viele Stöckchen man springen muss, bevor man seine Internet-Inhalte mit der Welt teilen darf.

Es ist schließlich schon lange nicht mehr so, dass man einfach seine index.html mit FileZilla auf tripod.de hochlädt und Simsalabim: „Onkel Gustav, guck mal, Bello ist im Internet!“ Heutzutage nutzt man ein CMS wie WordPress oder Typo3, was an sich ja okay ist. Aber mit dem JavaScript- und CSS-Bloat, der damit einhergeht, entzieht es sich oft der Kenntnis der Nutzer, was diese CMS eigentlich alles im Hintergrund machen.

Allerspätestens seit der DSGVO ist es aber eine Pflicht von Seitenanbietern, ihre Nutzer genau darüber zu informieren. Also informiert man sich erst mal selbst und kommt in 99 % aller Fälle zu der Erkenntnis, dass man erst mal Berechtigungen für die Nutzung von Cookies, Google Fonts und die Funktionen diverser WordPress-Plugins einholen muss. Formschön in einem Banner, der die Seite verdeckt.

Wer nichts wird, wird Abmahnanwalt
Abmahnanwalt Serviervorschlag

Auch wenn ich den Fokus auf Benutzerschutz im Kern zwar für eine wichtige Voraussetzung im Umgang mit Nutzerdaten halte, nervt es. Zumal die Umsetzung schlicht und einfach dazu geführt hat, dass man dem Nutzer die Berechtigung abschwätzt, indem man den Knopf für „Ja, passt schon, zeig mir endlich die Seite“ schön bunt und auffällig gestaltet, den für „Einstellungen anpassen“ aber in einem nachfolgenden Fließtext versteckt. Eine durch maximal zwei Klicks erreichbare Impressum- und Datenschutzerklärung führt mit ihren zwei Seitenaufrufen durch Abmahnanwälte auf der Suche nach Hobbyisten mit Internetseiten, die sie verklagen können, auch nicht zur Vertrauenssteigerung.

Aber schön, dass Sie sich die Mühe gemacht haben.

Das Google-Minenfeld

Wer im jetzigen Jahr schon mal versucht hat, ein Brotrezept über Google zu finden, weiß, dass die Verhältnisse aus meinem Eingangstext sich deutlich verändert haben. Nicht nur, dass man sich nach der Eingabe von Suchbegriffen durch als Suchergebnisse getarnte Werbung durchkämpfen muss, auch muss man sich intensiv mit den Ergebnissen der ersten Seite auseinandersetzen, um nicht in die Honigfalle qualitativ minderwertiger, aber für Google bis zur Perfektion optimierter Bullshit-Artikel zu tappen. Im Fokus steht nämlich schon lange nicht mehr der Inhalt. Dieser ist zum schmückenden Beiwerk verkommen.

Was zählt, ist wahrgenommen zu werden damit die Google Ads und der Sponsored Content gesehen wird. Dafür zählen nur Impressions und die bekommt man mit einem guten Google Ranking. Anstelle des Rezepts erhält der Nutzer also ein 1000 Worte Ungetüm mit hoher Keyworddichte, abgestimmten Headlines und viel zuviel Text um die Absprungrate niedrig zu halten (wer scrollt, klickt das kleine x nicht). Google trägt also eine gewisse Mitschuld dadurch, wie ihre Algorithmen manipuliert werden können.

Die allgegenwärtige SEO-Seuche

Ein Meme über einen Nutzer, der sich auf die lange Reise aufmacht, den eigentlichen Kontext in einem Artikel zu suchen
Nutzer auf der Suche nach Content

Findet man nämlich einen Artikel mit ansprechendem Abbild eines knusprigen Brotes und der passenden Metabeschreibung („Ihre Kinder werden es lieben und sich nicht angewidert wegdrehen, weil sie sonst nur Toastbrot kennen und essen, versprochen!“), ist es nicht so, dass man nach dem Klick auf den Link gleich die relevante Information erhält. Das wäre ja viel zu einfach. Anstatt gleich die vier Schritte zur eigenen Herstellung von Brot anzuzeigen, verlangen zuerst eine lustige Anekdote (Danke, ChatGPT!), die Geschichte des Brotes seit der Existenz von Zähnen, eine Aufforderung, den Newsletter zu abonnieren, und selbstverständlich Google Ads deine Aufmerksamkeit.

„Wenn Sie sich für Brotrezepte interessieren, interessieren sie sich womöglich auch für den ULTRAZERBACKER 9001. Der ULTRAZERBACKER 9001 wird in allen führenden Brotback-Unternehmen eingesetzt und wird Ihre Brotproduktion pro Stunde in die Höhe schnellen lassen. Kaufen Sie jetzt den ULTRAZERBACKER 9001!“

– Wenn Google Ads eine Dauerwerbesendung wäre

Spätestens in dem Moment wird einem klar, dass das Rezept von Omas Knusperbrot nicht von einer internetaffinen Seniorin geschrieben wurde, sondern von irgendeinem Marketingheini, der die Keyword Dichte so hochgeschraubt hat, dass man schon einen geistigen Schaden beim Autor vermutet, da er ständig bestimmte Worte wiederholt. Brot, knusprig, knuspriges Brot, Brotrezept.

Worum ging es noch mal? Ach ja, Nutzer.

Diese sollten wieder mehr in den Vordergrund gestellt werden. Denn obwohl wir in einer hoch technologisierten Welt leben, in der das Zurechtfinden oft eine Herausforderung darstellt, dürfen wir niemals aus den Augen verlieren, dass letztendlich Menschen das Internet nutzen. Es mag zwar sein, dass FANG-CEOs die Nutzer nur als „Kunden“ betrachten, deren Daten sie zu Werbezwecken an verschiedene Organisationen und Regierungen weitergeben können, jedoch würden ihre Plattformen ohne ansprechende und teilenswerte Inhalte völlig nutzlos sein. Obwohl das monetäre Interesse offensichtlich ist und wir es akzeptieren, wenn wir die großen Plattformen nutzen, bleibt die Frage bestehen, warum diese Inhalte hinter einem Overhead aus Sicherheitsvorkehrungen und Beschränkungen verborgen bleiben müssen.

Um die aktuellen Herausforderungen anzugehen, könnten Suchmaschinen-Algorithmen verbessert werden, um hochwertige Inhalte stärker zu priorisieren und deutliche Kennzeichnungen für Werbung einzuführen. Content-Plattformen könnten Richtlinien implementieren, die eine natürliche Verwendung von Keywords fördern und übermäßige SEO-Optimierung verhindern. Für einen einfacheren Umgang mit Datenschutzbestimmungen könnten CMS-Anbieter benutzerfreundliche Optionen für die DSGVO-Einwilligung bereitstellen und eine leicht verständliche Anleitung für die Einhaltung der Vorschriften bereitstellen. Diese Maßnahmen könnten dazu beitragen, das Online-Erlebnis für Nutzer und Content-Ersteller gleichermaßen zu verbessern.

Anstelle Nutzer mit Reizüberflutung zu betäuben, bis sie in der Verwirrung mal aus Versehen auf den Amazon-Affiliate-Link klicken, könnte man mit der Verbesserung dieser Aspekte dazu beitragen, ein reibungsloseres und angenehmeres Online-Erlebnis zu schaffen, das den Nutzern hochwertige und relevante Informationen ohne übermäßige Ablenkungen oder Belästigungen bietet.

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